Langeweile
«Mamiiiii, mir isch langwiiiilig!» – ein Satz, den viele aus ihrer Kindheit oder von den eigenen Kindern kennen. Doch Langeweile betrifft nicht nur die Kleinen. Auch Erwachsene kennen das Gefühl: Sei es, wenn wir im Stau stehen, auf einer langen Zugfahrt das Handy den Geist aufgibt oder wir in der Arbeit in einem Meeting feststecken, in dem wir eigentlich nichts zu suchen haben.
Doch was steckt hinter diesem Gefühl? Ist Langeweile tatsächlich so schlimm, wie sie sich anfühlt? Oder kann sie sogar positive Effekte haben?
Was ist Langeweile und weshalb gibt es sie?
Langeweile ist mehr als nur ein unangenehmer Zustand. In der Psychologie wird sie als Hinweis verstanden, dass uns eine Situation nicht fordert oder als bedeutungslos erscheint. Ähnlich wie Schmerz uns davor warnt, eine heisse Herdplatte zu berühren, fordert Langeweile uns auf, aktiv zu werden und neue Reize zu suchen.
Dieser Mechanismus sorgt dafür, dass wir uns stetig neuen Herausforderungen stellen und unsere Tagträume in die Realität umsetzen können. Stell dir vor, dein liebstes Kinderspiel wäre für dich niemals langweilig geworden – vielleicht würdest du es heute noch mit derselben Begeisterung spielen! Das würde bedeuten, dass du viele spannende neue Erfahrungen verpasst hättest. Ganz schön eintönig, oder?
«Es gibt keine uninteressanten Dinge, nur uninteressierte Menschen.»
- G.K. Chesterton -
Warum fällt es uns so schwer, einfach mal nichts zu tun?
In unserer schnelllebigen Welt sind wir es gewohnt, immer beschäftigt zu sein. Sobald eine kurze Pause entsteht – sei es an der Bushaltestelle, in der Warteschlange oder in einer ruhigen Minute zu Hause – greifen wir instinktiv zum Smartphone.
Diese Gewohnheit ist nicht zufällig: Unser Gehirn ist darauf programmiert, nach Reizen zu suchen, und das Smartphone bietet eine endlose Quelle an Ablenkung. Nie zuvor war es so einfach, sich jederzeit und überall unterhalten zu lassen. Social Media, Streaming-Dienste, Online-Games – die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt. Diese ständige Verfügbarkeit führt jedoch dazu, dass unser Gehirn kaum noch zur Ruhe kommt. Wir sind es nicht mehr gewohnt, Leerlauf zuzulassen, weil Ablenkung nur einen Klick entfernt ist.
Dazu kommt, dass viele Menschen mit Langeweile negative Gefühle verbinden. In unserer Leistungsgesellschaft wird Langeweile allzu schnell mit Unproduktivität, Faulheit oder gar Versagen in Verbindung gebracht. Doch genau hier liegt eine verpasste Chance: Wer Langeweile bewusst zulässt, kann von ihren positiven Effekten profitieren.
Die positiven Effekte von Langeweile
Vielleicht überraschend, aber: Während wir gelangweilt nichts tun, arbeitet unser Gehirn auf Hochtouren. In diesen Momenten wird das sogenannte Default Mode Netzwerk (= Ruhezustandsnetzwerk) aktiviert. Dieser Teil unseres Gehirns wird immer dann aktiviert, wenn sich unser Gehirn mit sich selbst beschäftigt und kaum Informationen von aussen aufnimmt – wie zum Beispiel beim Tagträumen.
Ist das Default Mode Netzwerk aktiviert, kommen wir ins Nachdenken und Erinnerungen werden aktiviert. In diesem assoziativen Zustand stellt das Gehirn Verknüpfungen her und Ideen werden geformt. Kein Wunder also, dass Langeweile unsere Kreativität und Problemlösefähigkeiten ankurbelt! Aber Achtung: Sobald wir zum Smartphone greifen, unterbrechen wir diesen assoziativen Vorgang und können nicht mehr von diesen positiven Effekten der Langeweile profitieren.
Wenn wir unserem Gehirn Ruhephasen gönnen, ermöglichen wir ihm ausserdem, Erlebtes zu verarbeiten und Stress abzubauen. So sind wir auch wieder erholt und bereit, wenn uns die durch Langeweile ausgelöste Kreativität neue Ideen liefert, die wir gerne umsetzen möchten.
Wenn Langeweile zur Gefahr wird
Die oben genannten positiven Effekte von Langeweile stimmen vor allem dann, wenn Langeweile episodisch auftritt. Solltest du bemerken, dass du dich in gewissen Situationen wie beispielsweise der Arbeit regelmässig langweilst, solltest du genauer hinschauen. Denn chronische Langeweile kann negative Folgen haben. Forschungen zeigen, dass Menschen mit dauerhafter Langeweile eher zu ungesundem Verhalten neigen – sei es durch übermässigen Konsum von Essen, Alkohol oder digitalen Medien. Besonders am Arbeitsplatz kann anhaltende Unterforderung zu einem sogenannten Boreout führen, das mit Erschöpfung, Stress und Motivationsverlust einhergeht. Ein «Boreout» ähnelt nicht nur im Namen dem bekannten «Burnout», sondern auch in den damit einhergehenden Symptomen. Erschöpfung, Stress, Motivationsverlust, Schlafstörungen bis hin zu Schlafstörungen und depressiven Symptomen begleiten von Boreout Betroffene in ihrem Alltag.
Solltest du nun merken, dass du dich regelmässig in bestimmten Situationen langweilst, ist es sinnvoll, dich dem anzunehmen. Was fehlt dir in dieser Situation, dass Langeweile aufkommt? Brauchst du z.B. im Job mehr Verantwortung oder Abwechslung? Oder braucht dein Gehirn vielleicht einen kreativen Outlet, den du in deine Freizeit integrieren könntest? Was es auch ist – nutze die Langeweile und lass dich von ihr inspirieren, etwas zu ändern!
Fazit: Mehr Mut zur Langeweile
Langeweile ist nicht unser Feind – im Gegenteil. Sie gibt uns die Möglichkeit, unser Gedankenkarussell zu entschleunigen, kreativer zu werden und Probleme besser zu lösen. Wer also das nächste Mal in Versuchung gerät, das Smartphone in einer ruhigen Minute zu zücken, sollte überlegen, ob es nicht lohnender wäre, der Langeweile einfach mal Raum zu geben. Denn manchmal entstehen aus ihr die besten Ideen.
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Referenzen:
- Buenaventura, B. (2021, 4. Juni). Das Geheimnis der Langeweile. National Geographic. https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2021/05/das-geheimnis-der-langeweile
- DAK Gesundheit. (o. D.). Darum ist Langeweile besser als ihr Ruf. https://www.dak.de/dak/gesundheit/koerper-seele/persoenliche-entwicklung/darum-ist-langeweile-gut_20014
- Edhofer, S. (2023, 8. November). Warum wir Langeweile brauchen. News.at. https://www.news.at/gesundheit/gehirn-langeweile
- Gesundheitskasse AOK. (2021, 3. Dezember). Langeweile: So gesund ist sie wirklich. AOK – die Gesundheitskasse. https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/achtsamkeit/langeweile-so-gesund-ist-sie-wirklich/
- Gesundheitskasse AOK. (2023, 11. August). Boreout-Syndrom: Wenn Langeweile krank macht. AOK - die Gesundheitskasse. https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/psychologie/boreout-syndrom-wenn-langeweile-krank-macht/
- Kessi, C. (2022, 7. Juli). Krank werden vor Langeweile oder: das Boreout. Groupe Mutuel Assurances. https://www.groupemutuel.ch/de/Groupe-Mutuel/Publikationen/Blog/Personalwesen/bore-out.html
- Spektrum der Wissenschaft. (2021, 9. Januar). Der Monotonie entfliehen. https://www.spektrum.de/news/langeweile-der-monotonie-entfliehen/1808750
- Uhrig, S. (2023, 13. September). Hallo Langeweile! Psychologie Heute. https://www.psychologie-heute.de/leben/artikel-detailansicht/41262-hallo-langeweile.html