Tagträumen - Ein Abenteuer im Kopf

Tagträumen

Hast du dich schon einmal dabei ertappt, wie deine Gedanken plötzlich abschweifen? Vielleicht sitzt du morgens am Frühstückstisch – und plötzlich bist du mit deinen Gedanken ganz woanders. Vielleicht schlenderst du an einem sonnigen Strand entlang, spürst den Sand unter deinen Füssen oder du erlebst ein spannendes Abenteuer, in dem du die Hauptrolle spielst. Willkommen im Reich der Tagträume – ein kurzer Moment der Freiheit, in dem Zeit keine Rolle zu spielen scheint. Doch warum entführt uns unser Geist in solche Parallelwelten? Was genau passiert in unserem Gehirn, wenn wir uns plötzlich in einer anderen Realität wiederfinden? Und welche positiven und negativen Auswirkungen können Tagträume auf uns haben?

Was sind Tagträume?

Tagträume sind Momente, in denen unsere Gedanken abschweifen und wir uns bewusst oder unbewusst kleine Geschichten oder Szenarien im Kopf ausmalen. Im Gegensatz zu praktischen Gedanken – wie zum Beispiel über Einkaufslisten oder Aufgaben – sind Tagträume oft kreativer, emotionaler und fantasievoller. Statt klare Ziele zu verfolgen, lassen sie uns einfach frei in unsere Gedankenwelt eintauchen.

Warum träumen wir tagsüber?

In einer Welt, die uns ständig mit neuen Reizen bombardiert, wirken Tagträume wie kleine Oasen der Ruhe. Tatsächlich verbringen wir laut Wissenschaft fast die Hälfte unseres wachen Lebens in Gedankenwelten – kaum zu glauben, oder?  Dabei zeigt die Forschung: Tagträume sind keine sinnlose Zeitverschwendung, sondern Zeichen eines aktiven und kreativen Gehirns.

Unser Geist driftet oft ab, wenn wir unter- oder überfordert sind. Bei Langeweile sucht das Gehirn nach neuen Impulsen, bei Überlastung dagegen gönnt es sich eine mentale Auszeit. Beides führt dazu, dass wir in unsere eigene Gedankenwelt eintauchen.

Was passiert im Gehirn, wenn wir tagträumen?

Wenn wir tagträumen, übernimmt das so genannte Default Mode Network (DMN) die Kontrolle – ein Netzwerk im Gehirn, das besonders dann aktiv ist, wenn wir uns nicht bewusst mit einer konkreten Aufgabe oder einem Problem beschäftigen. In diesen Momenten, in denen unser Geist zur Ruhe kommt, hilft uns das DMN, persönliche Erfahrungen zu verarbeiten und Zukunftspläne zu schmieden – ein wichtiger Prozess für unsere Identität und unser Wohlbefinden.

Gedankliches Abschweifen kann jedoch viele Formen annehmen. Zum Beispiel denken wir manchmal an anstehende Aufgaben oder planen kommende Termine – das nennt man funktionales Abschweifen. Diese Art des Denkens ist zielgerichtet und aktiviert eher die Bereiche des Gehirns, die für logisches Denken zuständig sind. Im Gegensatz dazu sind Tagträume kreativer, emotionaler und oft fantasievoller. Sie erlauben uns, frei in Gedankenwelten einzutauchen und haben eine ganz andere Wirkung auf unser Gehirn.

 

«Diejenigen, die tagsüber träumen,
sind sich vieler Dinge bewusst, die jenen entgehen,
die nur des Nachts träumen.»

- Edgar Allen Poe - 

 

Dieser kreative Prozess wird durch die Aktivierung bestimmter Hirnregionen gefördert. Beim Tagträumen ist vor allem die rechte Gehirnhälfte aktiv, die für Kreativität und Fantasie zuständig ist. Die linke Gehirnhälfte, die für logisches und strukturiertes Denken zuständig ist, wird dagegen vorübergehend weniger genutzt. Dank der Einbindung kreativer Ideen können uns Tagträume ausserdem bei der Lösung komplexer Probleme unterstützen.

Die Vorteile von Tagträumen

Tagträume sind mehr als blosse Gedankenspiele. Sie bieten zahlreiche positive Effekte:

Problemlösungsfähigkeit: Wenn wir tagträumen, kann unser Gehirn auf eine Vielzahl an Erinnerungen und Konzepten zugreifen. Diese geistige Flexibilität hilft uns, unerwartete Verbindungen herzustellen und innovative Lösungen zu finden.

Mentale Resilienz und Stressreduktion: Tagträume können als mentale «Mini-Auszeit» von alltäglichen Herausforderungen dienen und helfen, Emotionen zu regulieren. Studien zeigen, dass Tagträumen unser Stressniveau senken kann, indem wir eine gedankliche Distanz zu unseren Sorgen gewinnen.

Kreativität: Beim Tagträumen lassen wir unsere Gedanken und Ideen frei fliessen, was zu spontanen «Aha»-Erlebnissen führen kann. Diese Art des Denkens ist für kreative Prozesse entscheidend.

Die Schattenseiten des Tagträumens

Tagträume können uns eine willkommene Flucht aus der Realität bieten – ein Ort, an dem wir uns unseren Wünschen und Fantasien hingeben können. Tagträume können aber auch zur Belastung werden, insbesondere dann, wenn wir uns zu häufig in Fantasiewelten verlieren.

Wenn ständiges Tagträumen zur Gewohnheit wird, spricht man auch von maladaptivem Tagträumen. Betroffenen Menschen fällt es schwer, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, was ihre Produktivität und ihre sozialen Beziehungen beeinträchtigen kann. Das Problem liegt darin, dass diese Fantasien uns in eine alternative Realität entführen, die oft angenehmer erscheint als die Herausforderungen des Alltags. Die immer wiederkehrenden Gedankenspiralen können dabei zu einem Teufelskreis werden, der unsere Fähigkeit zur Bewältigung von Stress und unseren Umgang mit der Realität erheblich beeinträchtigt.

Darüber hinaus sind Tagträume nicht immer nur eine Quelle der Entspannung – sie können auch negative Szenarien enthalten, die unser Wohlbefinden beeinträchtigen. Wenn wir uns in Gedanken mit Sorgen, Ängsten oder belastenden Erlebnissen beschäftigen, kann dies unser Stressniveau erhöhen. Statt uns eine Pause zu gönnen, verstärken diese negativen Tagträume unser Unbehagen und verhindern eine echte Erholung.

Ein gesundes Gleichgewicht finden

Wie bei allem im Leben kommt es auf die richtige Dosis an. Tagträume sind keine verlorene Zeit, sondern wichtige Momente der Reflexion, Kreativität und Planung. Gönn dir bewusst kleine Gedankenreisen – wer weiss, welche grossartigen Ideen du dabei entdeckst!

Ob wir zukünftige Aufgaben planen oder in kreativen Vorstellungen versinken – gedankliches Abschweifen kann verschiedenen Formen annehmen und auf unterschiedliche Weise hilfreich sein. Funktionales Abschweifen, wie das Planen von Aufgaben, hilft uns, organisiert zu bleiben. Tagträume hingegen fördern kreative Lösungen und emotionale Entlastung. Beide haben ihren Platz, solange wir sie bewusst einsetzen und die richtige Balance finden.

Achte jedoch darauf, auch im Hier und Jetzt präsent zu bleiben, um die Balance zu wahren.

Referenzen

  • Ayan, S. (2016, 10. März). Die Vorteile des Tagträumens. Spektrum.de. https://www.spektrum.de/news/das-gehirn-beim-tagtraeumen/1401860
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  • Ist Tagträumen schädlich? Was du jetzt wissen solltest. (o. D.). Mkk - Meine Krankenkasse. https://www.meine-krankenkasse.de/ratgeber/mentale-gesundheit/tagtraeume/#:~:text=In%20den%20meisten%20F%C3%A4llen%20ist,etwas%20f%C3%BCr%20die%20mentale%20Gesundheit
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  • Sind Tagträume schädlich? (o. D.). Psychologisches Institut | UZH. https://www.psychologie.uzh.ch/de/bereiche/dev/lifespan/erleben/berichte/tagtraeume.html
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  • The MIT Press Reader. (2022, 18. August). Daydreaming and Concentration: What the Science Says. https://thereader.mitpress.mit.edu/daydreaming-and-concentration-what-the-science-says/

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